Grenzgängerabkommen der Schweiz mit den umliegenden Ländern und beruflich bedingte Nichtrückkehrtage – das müssen die Unternehmen wissen

In den verschiedenen Seminaren während den letzten Monaten habe ich immer wieder gehört, dass die Unternehmen beruflich bedingte Nichtrückkehrtage ihrer Grenzgänger nicht proaktiv kontrollieren. Wissen die Verantwortlichen welche finanziellen Risiken sie dabei eingehen?

Die vorliegenden Erläuterungen beziehen sich auf private und nicht auf öffentlich-rechtliche Unternehmen. Auch Spezialgruppen wie Verwaltungsräte etc. sind ausgeschlossen.

Die folgenden Grenzgängerabkommen in Bezug zur Schweiz kennen Maxima an beruflich bedingten Nichtrückkehrtagen:

  • Deutschland (alle Kantone, Zumutbarkeit des Arbeitswegs ist definiert): 60 Tage
  • Frankreich (Kantone BS, BL, BE, JU, NE, SO, VD, VS, Zumutbarkeit des Arbeitswegs ist definiert): 45 Tage
  • Liechtenstein (alle Kantone, Zumutbarkeit des Arbeitswegs ist definiert): 45 Tage
  • Italien (Kantone GR, TI, VS, Grenzgängerzone in Italien von 20 km) ab 1.1.2024: 45 Tage

 

Wo liegen die Risiken, wenn die Unternehmen dies nicht proaktiv angehen?

Nebst den üblichen Voraussetzungen bezüglich Grenzgängerstatus in allen 4 Abkommen führt dies zu einer anderen Behandlung in der Payroll. Bei Überschreiten der Werte (basierend auf einem Vollpensum und einem Kalenderjahr) kommen je nach Abkommen und involviertem Kanton andere Quellensteuerabzüge zur Anwendung.

Bei Überschreiten der obigen Werte führt dies zu folgenden Konsequenzen:

Deutschland:

Wechsel des Quellensteuersatzes von bis zu 4,5% oder fix 4.5% auf den vollen Quellensteuersatz. Je nach Funktion Ausscheidung von ausländischen Arbeitstagen oder nicht (leitender Angestellter) – Formular GRE3 muss eingereicht werden

Frankreich:

Wechsel von keinem Quellensteuerabzug auf den vollen Quellensteuerabzug. Je nach Konstellation Ausscheidung von ausländischen Arbeitstagen oder nicht (Telearbeit in Frankreich) – bis dato kein Formular zur Meldung des Statuswechsels vorhanden

Liechtenstein:

Wechsel von keinem Quellensteuerabzug auf den vollen Quellensteuerabzug und Ausscheidung von ausländischen Arbeitstagen – Bescheinigungsformular ist vorhanden.

Italien (ab 1.1.2024):

Wechsel für neue Grenzgänger vom Quellensteuersatz, welcher 80% des vollen Quellensteuersatzes berücksichtigt auf den vollen Quellensteuerabzug (100%). Ausscheidung von ausländischen Arbeitstagen – bis dato kein Formular zur Meldung des Statuswechsels bekannt.

 

Das Risiko zur Nachzahlung von falsch berechneten Quellensteuerabzügen liegt beim Arbeitgebenden. Deshalb sollte dies auf dem Radar sein und bleiben.

Die Schweiz hat auch ein Abkommen mit Österreich. In diesem Fall müssen von Beginn an ausländische Arbeitstage in der Payroll ausgeschieden werden.

Und bei Anwendungsfällen von Ländern, mit welchen die Schweiz ein Doppelbesteuerungsabkommen auf Einkommen und Vermögen abgeschlossen hat mit Mitarbeitenden mit Wohnsitz im Ausland?

Auch in diesen Fällen müssen im Ausland ausgeübte Arbeitstage von den Quellensteuern ausgenommen werden. Aus Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag darf der Arbeitgebende keine zu hohen Abzüge in der Payroll vornehmen, wenn diese nicht geschuldet sind.

Offen bleiben künftige Bestimmungen in die Zukunft für Möglichkeiten der Besteuerung bei Telearbeit. Es bleibt also spannend.

 

Was ist erschwerend?

Die beruflich bedingten Nichtrückkehrtage sind je nach Abkommen unterschiedlich definiert. Detailkenntnisse der Abkommen sind notwendig, um die richtigen Massnahmen für diese Mitarbeitendengruppen einzuleiten, so z.B. inwieweit Homeoffice-Tage zu den beruflich bedingten Nichtrückkehrtagen zählen oder nicht.

Was ist noch nicht klar?

  • Bezüglich dem neuen Grenzgängerabkommen mit Italien wurden gem. Rücksprache mit dem SIF noch keine Details verhandelt. Es ist offen, ob auf den 1.1.2024 verbindliche Informationen vorliegen werden. Im Zweifelsfall wäre dann ein Homeofficetag in Italien ein beruflich bedingter Nichtrückkehrtag.
  • Freiwillig im Ausland gearbeitete Tage aufgrund von Workation von Grenzgängern – sind dies beruflich bedingte Nichtrückkehrtage oder nicht?

 

Am detailliertesten sind die Bestimmungen mit Deutschland geregelt. Kürzlich wurde zudem das Zusatzprotokoll vom 21.8.2023 zum DBA mit voraussichtlichem Inkrafttreten ab 1.1.2025 veröffentlicht. Dieses muss zuerst durch die zuständigen Parlamente genehmigt werden. Nebst verschiedenen Punkten, welche z.B. die Betriebsstätte betreffen, regeln diese auch einiges im Bereich der unselbstständigen Erwerbstätigkeit Art. 15 und Grenzgänger Art. 15a resp. Arbeitsverhältnisse mit öffentlich-rechtlichen Arbeitgebenden (Art. 19).

Weitere Details mit Downloadmöglichkeit des Abkommens unter https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Internationales_Steuerrecht/Staatenbezogene_Informationen/Laender_A_Z/Schweiz/2023-08-21-Schweiz-DBA-Bekanntmachung-Aenderungsprotokoll-21-August-2023.html

Inwieweit diese Ausführungen auch für Präzisierungen bei den anderen Abkommen verwendet werden, wird sich zeigen.

So ist offenbar beim Abkommen mit Frankreich die Auffassung, dass ein beruflich bedingter Nichtrückkehrtag auch ohne Übernachtung bei Geschäftsreisen eines französischen Grenzgängers ausserhalb der Schweiz und Frankreich berücksichtigt werden sollte. Dies ist auch den Beispielen zur Verständigungsvereinbarung über Telearbeit zum Grenzgängerabkommen Schweiz – Frankreich zu entnehmen.

Immer mehr Abkommen sehen Bescheinigungspflichten der Unternehmen vor. Für Italien ist ein Austausch mit den Behörden in Italien via zuständigen Kanton für neue Grenzgänger und solche mit Bewilligung G vorgesehen. Mit Frankreich wird der Austausch nach Inkrafttreten des Zusatzabkommens zum DBA CH-F frühestens ab 1.1.2025 erfolgen. Dies führt zu Zusatzaufwand in den Unternehmen und bei den Behörden. Die Informationen müssen korrekt sein.

 

Fazit:

Die Flexibilisierung in Bezug auf Ort und Zeit in Unternehmen führt insbesondere bei Mitarbeitenden mit Wohnsitz im Ausland zu verschiedensten Fragestellungen, welche beantwortet werden sollten. Nicht nur die Aspekte bezüglich korrekten Quellensteuerberechnungen, sondern auch Sozialversicherungsunterstellungsfragen, Betriebstättenbegründung der Unternehmung im Ausland etc. wären zu lösen. Die Unternehmen sollten deshalb bewusst Entscheidungen treffen in der Wahrnehmung der involvierten Risiken und nicht einfach, weil sie nicht wissen, wo ihre Mitarbeitenden gerade am Arbeiten sind. Ein Bewilligungsverfahren mit Vertragsgrundlage ist meines Erachtens notwendig.

 

 

Im Seminar Mobile Working von Arbeitnehmenden im In- und Ausland vom 2. und 3.11.2023 jeweils am Nachmittag gehe ich auf alle relevanten Themengebiete ein.

https://www.zulaufgmbh.ch/kurse/mobile-working-von-arbeitnehmenden-im-in-und-ausland-fuer-schweizer-unternehmen-2/

 

Das bereits zum zweiten Mal erfolgreich durchgeführte Vertiefungsseminar Quellensteuerfälle und Berechnungen im internationalen Kontext ist auch im Jahr 2024 wieder vorgesehen. https://www.zulaufgmbh.ch/kurse/vertiefungsseminar-quellensteuerfaelle-und-berechnungen-im-internationalen-kontext-3/

 

Einzelne Themen zu Telearbeit im Bereich Steuern und Sozialversicherungen in diesem Herbst und im 2024 finden Sie zudem unter:  https://www.zulaufgmbh.ch/veranstaltungen-workshops/

 

Selbstverständlich können auch firmeninterne Workshops und Beratungen zu ausgewählten Themen vereinbart werden.

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